Muttermilch aus Tschechien und ein Gegentalent aus den USA
Es ist erstaunlich, wie viel musikalische Muttermilch und Nationalstolz auf die eigenen Komponisten des Landes bei einem Orchester ausmachen können.
Das Tschechische Symphonieorchester Prag lief am Sonntag, in der vorletzten Matinee der Mozart Gesellschaft im Konzerthaus, in Dvořáks achter Sinfonie nach der Pause zu Höchstform auf – und krönte den Vormittag mit einem ebenfalls sehr kultiviert ausgespielten Slawischen Tanz von Dvořák.
Zuvor, im Violinkonzert von Tschaikowsky, bliebe das Orchester aus der tschechischen Hauptstadt blasser – und auch nicht fehlerfrei. Dieser erste Konzertteil war die Stunde der jungen amerikanischen Stipendiatin Claire Wells. Mit erst 23 Jahren spielte sie das anspruchsvolle Tschaikowsky-Werk nicht nur technisch traumwandlerisch sicher, sie gab vor allem dem langsamen Satz viel Ausdruck, gestaltete gefühlvoll, inspirierte das Orchester und zwang die Musiker und den Dirigenten Robert Kružík zur Aufmerksamkeit, wenn sie Tempi – vor allem im ersten Satz, sehr frei anlegte. Da konnten ihr die Prager jedoch nicht mühelos folgen.
Aber in der Dvořák-Sinfonie hörte das Publikum dann im Finalsatz überschäumende tschechische Lebensfreude mit glänzenden Hörnern und Posaunen. Im zweiten Satz schuf Kružík eine gute Balance zwischen Streichern und Bläsern, und schon in der Eröffnung der Sinfonie bestachen die vollen, runden, warmen Orchesterklänge. Die mit einer kleinen Besetzung von nur 51 Musikern so aufzubauen, war großartig. Eine Mozart Matinee ohne Mozart, aber eindrucksvoll.
*J. Gaß